Montag, 15. Oktober 2007

Schon wieder ist ein weiterer Monat um. Und weil ich hier einfach jeden Tag etwas anderes mache, weiß ich gar nicht, wovon ich berichten soll.
Ich denke, ich erzähle mal von einer Sozialarbeiterin, mit der ich hier viel unterwegs bin, Thankam. Sie ist nämlich ein ganz beeindruckender Mensch, finde ich. Sie wurde mit 17 verheiratet. Solche ‚arranged marriages‘ sind hier üblich. Die Eltern suchen (oft über Annoncen) einen Ehepartner für die Kinder. Dabei spielt eine Rolle, welche Kaste man hat, wieviel man verdient, aus welcher Familiensituation man kommt, aber auch Größe, Gewicht und Hautfarbe. Ich habe schon sehr unterschiedliche Meinungen darüber gehört. Einige Frauen finden es richtig, dass ihre Eltern über ihre Zukunft entscheiden, weil der Rückhalt in der Familie so sehr wichtig ist. Andere würden lieber jemanden heiraten, den sie schon kennen (und lieben), aber sie tun trotzdem, was ihre Eltern möchten. Wieder andere heiraten wirklich, wen sie lieben. Letzteres bringt allerdings oft Probleme mit sich. Zum Beispiel passiert es, dass man von der eigenen Familie nicht mehr akzeptiert wird, oder dass man von den Schwiegereltern nicht akzeptiert wird (bei denen man aber traditioneller Weise als neue Ehefrau einzieht)! Es hat sicher bestimmte Vor- und Nachteile. Für mich ist es schwer mir darüber eine Meinung zu bilden, weil ich einfach so viele unterschiedliche Meinungen dazu gehört habe, und es für beide Varianten gute und schlechte Beispiele gibt... Jedenfalls ist vielen der Rückhalt der Familie so wichtig, dass sie die Eltern bei der Hochzeit mitentscheiden lassen wollen.
Also wieder zu Thankam: Sie hat zwei Kinder und ist mittlerweile 48 Jahre alt. Sie hat zwar einen anderen Abschluss, ist aber schon seit Ewigkeiten in der Sozialarbeit tätig. Ihre Motivation dafür ist, wie sie sagt, dass sie den Menschen helfen möchte und etwas gegen die Armut tun möchte. Jedenfalls bekommt sie dafür so gut wie kein Gehalt, sondern nur etwas mehr als die Fahrtkosten. Dabei lebt sie auch in einfachen Verhältnissen: Ihr Mann ist auch ‚nur‘ Angestellter bei ROSS, der Organisation, wo ich arbeite.
In den letzten Tagen haben wir in mehreren Kinderkrippen wir ‚Paperbagtrainings‘ gemacht. Das heißt, um die 15 Mütter kamen dorthin, und haben gelernt, wie man aus Zeitungspapier Tüten macht. Der Sinn des Trainings ist, dass die Frauen ohne viele Materialkosten etwas produzieren können, und eine Art Mini-Unternehmen gründen können: Hilfe zur Selbsthilfe so zu sagen.
ROSS führt auch noch andere Seminare für Frauen durch, bei denen sie lernen, wie man ein Regenwasserbecken oder eine Biogas-Kompostanlage selbst baut. Ich finde diese Art der Unterstützung wirklich toll. So wird nämlich nicht nur den Frauen ein Möglichkeit gegeben, selbst ihre Situation zu verbessern. Dadurch, dass man ihnen diese Aufgaben zutraut, spricht man ihnen ja auch noch einen besonderen Wert zu, was in dieser von Männern dominierten Gesellschaft nicht selbstverständlich ist.
Noch kurz zu Thankam: sie arbeitet nicht nur für ROSS, sondern macht auch noch Besuche bei Gefängnisinsassen und kümmert sich um ihre kranke Mutter (nicht zu vergessen ihren Haushalt...). Trotz des ganzen Stress ist sie immer total herzlich: Sie hat uns auch schon zu sich nach Hause eingeladen!
Als letztes möchte ich noch eine kurze Geschichte erzählen, die für mich einfach typisch für Indien ist. Im vergangen Monat war Ramadan, und dessen Ende wird natürlich groß gefeiert. Eigentlich war der Feiertag für Samstag, den 13.10. vorgesehen. Aber weil der Mond in der Nacht vom 11. Auf den 12. Oktober schon die entsprechende Form hatte, hat die Regierung am Donnerstag Abend erklärt, dass der Freitag auch ein Feiertag ist. Ganz einig ist man sich dann aber doch nicht, und so waren manche Büros offen, und manche nicht. Einige haben aber auch einfach gearbeitet, weil eben etwas Dringendes anliegt. Auf jeden Fall gefällt mir diese Spontaneität und Flexibilität immer besser...

Ein Paperbagtraining


Hier durfte ich Preise verteilen...


An einem Sonntag haben wir in der Kantine assistiert.


An Gandhis Geburtstag (02.10.) ist es hier ueblich oeffentliche Plaetze zu reinigen. Also haben wir vor einer Kinderkrippe das Gras und Gestruepp entfernt